Deutschland und Frankreich als Motor der europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg

Lange sah es nicht so aus, als könnten Deutschland und Frankreich kooperieren. Beide Nationen standen sich als 'Erbfeinde' gegenüber und bekämpften sich in zwei Weltkriegen. Dann aber wurden sie zum 'Motor' der europäischen Einigung.
Frankreich Deutschland Freundschaft
Helmut Kohl und François Mitterrand im Oktober 1987 ( © Bundesarchiv 145-F076604-0021 / Foto: Schaack, Lothar )

Aus 'Erbfeinden' wird ein 'Motor' der Einigung

Dass Europa einmal im Ganzen vereinigt sein würde, ist ein alter Traum des Abendlandes. Auch dass Frankreich und Deutschland dabei eine wichtig Rolle spielen würden, schälte sich über Jahrhunderte als feste Erkenntnis heraus. Schließlich entstammten beide Nationen dem Frankenreich, bildeten selbst mächtige Reiche und dominierten die Entwicklung in Europa auf unterschiedliche Weise und zu unterschiedlichen Zeiten.

Die Zeichen für eine Verbindung beider Staaten standen jedoch – so scheint es – nie so schlecht wie am Ende des Zweiten Weltkrieges. Nach drei Kriegen innerhalb von 70 Jahren, davon zwei Weltkriegen, schienen beide Völker die propagandistische Formel vom "Erbfeind" verinnerlicht zu haben.

Die Westbindung der Bundesrepublik

Um Deutschland aus der politischen Isolation herauszuführen, setzte die Politik des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer auf das Bündnis mit den Westmächten. Dies führte zuallerst zu einer starken Bindung an die USA, den führenden Allierten bei der Befreiung Deutschlands von der Nazi-Herrschaft und Initiator des demokratischen Aufbaus der Bundesrepublik.

Der Schuman-Plan, benannt nach dem französischen Außenminister jener Zeit, zielte denn in politischer Hinsicht auch darauf ab, die Bundesrepublik Deutschland nicht vollständig den USA zu überlassen und die eigenen Bestrebungen als "Grande Nation" zu nähren. Rein praktisch ging es um die Kontrolle der kriegswichtigen Güter Kohle und Stahl, deren gemeinsame Verwaltung in der Montanunion 1951 beschlossen wurde. Die auch so genannte EKGS wurde zur Keimzelle der Europäischen Einigung.

Wie stark die Vorbehalte gegenüber dem einstigen Kriegsgegner damals noch waren, zeigt die Tatsache, dass auf Betreiben Frankreichs bei der Gründung der Westunion 1948 Deutschland als möglicher Aggressor in der Präambel benannt wurde.

Sechs Jahre später, als sich diese militärische Allianz aus Frankreich, Großbritannien und den Benelux-Ländern in die Westeuropäische Union mit Italien und Deutschland als neuen Mitglieder wandelte, herrschte bereits ein anderes Klima in Westeuropa.

Aussöhnung und europäische Integration

Die politisch proklamierte Aussöhnung wurde durch gemeinsame Projekten und öffentliche Gesten zwischen den Staatsrepräsentanten, insbesondere zwischen Adenauer und de Gaulle, mit Leben erfüllt.

Mit den Römischen Verträgen von 1957 und 1958, welche die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zusammen mit Italien und den Benelux-Ländern begründeten, rückten Frankreich und Deutschland noch enger zusammen.

Der Höhepunkt dieser Entwicklung war die Unterzeichnung des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrages vom Januar 1963. Die positiven Erfahrungen beider Länder waren ausschlaggebend dafür, dass in den so genannten Fusionsverträgen von 1965 die Kommissionen und Strukturen der Montanunion und der EWG zusammengelegt wurden.

Ab diesem Zeitpunkt war der Weg frei für die Europäische Gemeinschaft, die mit den Maastrichter Verträgen von 1993 hergestellt wurde.

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